Webbasierte Produktvisualisierung
Projektstatus
Planung
Durchführung
Dokumentation
Hintergrund
Die Wallario GmbH ist ein kleines Cottbuser Digitaldruckunternehmen für vielfältige Innen- und Außendekorationen. Auf zwei Produktionsstrecken werden Plattenprodukte wie Bilder und Rollenprodukte wie Tapeten “on demand” nach Kundenwunsch gefertigt. Besonders die individuell mit Wunschmotiven der Kunden gestaltbaren Produkte erfreuen sich an großer Beliebtheit. Zukünftig ist eine Erweiterung des Geschäftsmodells im B2B Bereich für regionale Werbetechniken (z.B. Banner) geplant.
Mit minimalem Startkapital gründeten René Herzog und David Kruse 2002 neben dem Studium das zunächst kleine Handelsunternehmen mit Waren von externen Herstellern. Seit 2015 setzt Wallario auf exklusive und einzigartige Artikel der Marke Wallario, welche digital entwickelt und inhouse gedruckt werden. Durch die proaktive, kontinuierliche Weiterentwicklung bietet Wallario aktuell 500 m² Produktionsfläche mit vier industriellen Digitaldruckern und Nachbearbeitungsmaschinen, mit über 100.000 eigenen Artikeln im Angebot.
Hinter den farbenfrohen und vielfältigen Produkten von Wallario verbergen sich viele eigens programmierte und maßgeschneiderte digitale Prozesse. Die Abwicklung des gesamten Kaufprozesses von der Bestellung, über die Produktion bis hin zur Logistik erfolgt nahezu vollständig automatisch im Hintergrund.
Durch den kontinuierlichen Ausbau des Artikelangebots, die Erweiterung der Vertriebskanäle und die Optimierung der Prozesse in den letzten Jahren, ist es trotz des hohen Automatisierungsgrades möglich, zunehmend Dauerarbeitsplätze zu schaffen und diese zu sichern. Für das Jahr 2023 ist die erstmalige Schaffung einer Ausbildungsstelle geplant.
Da die beiden Gründer sowie die Geschäftsführerin Julia Thom gebürtige Brandenburger sind und den Strukturwandel von Beginn an miterlebt haben, liegt es in ihrem besonderen Interesse, die Region durch Arbeitsplatzschaffung und -sicherung zu stärken und so die studierten Fachkräfte in der Region zu halten. Zusätzlich beteiligt sich die Wallario GmbH seit zwei Jahren an der Eingliederungsmaßnahme von Langzeitarbeitslosen.
www.wallario.de
"Um Nutzer heutzutage jenseits von großen Plattformen wie Amazon in den eigenen Webshop zu locken, bedarf es innovativer Ideen der Produktpräsentation. Mit Unterstützung des Kompetenzzentrums wurde die Idee entwickelt, dem Kunden bestimmte Produkte mittels Augmented Reality in seiner eigenen Wohnumgebung zu präsentieren und zu simulieren. Der Demonstrator des M4.0 hat uns gezeigt, dass dies technisch mit überschaubarem Aufwand möglich ist und wir entwickeln bereits eine Umsetzung in unserem Unternehmen."
René Herzog (Geschäftsführer)
Herausforderung
Die Wallario GmbH stellt Druckerzeugnisse in verschiedensten Arten und Formen her. Als technikaffines Unternehmen mit eigenen Entwicklerkapazitäten ist die Wallario GmbH gut gerüstet, um mit modernen digitalen Medien die Darstellung des Angebots für die Kundschaft zu verbessern. Da das Unternehmen insbesondere im Bereich Augmented- bzw. Virtual Reality viel Interesse mitbringt, wurde nach neuen Einsatzmöglichkeiten dieser Technologien in der Herstellung und im Vertrieb gesucht. Dabei soll das unternehmensinterne Potential sowie die Erfahrungen der eigenen Entwickler genutzt und durch neue Impulse und Ideen noch besser aufgestellt werden.
Das Produktsortiment wird im Onlinevertrieb über ein Shopsystem angeboten. Neben gewöhnlichen Postern oder Aufklebern werden auch besondere Drucke, z.B. auf Glasplatten hergestellt. Top-Seller sind dabei zum Beispiel bedruckte Auflagen für Herdplatten. Der Einsatz solcher Produkte im eigenen Heim ist für viele nicht unbedingt alltäglich. Kunden suchen im Shop nicht nach Produkten, die sie nicht kennen. Die Auswahl und Umsetzung zielgerichteter Werbemaßnahmen, um die Kunden auf die besonderen Produkte aufmerksam zu machen kann zu einer Umsatzsteigerung im Unternehmen durch bessere Sichtbarkeit und erhöhte Kundenzufriedenheit führen. Neben der Erklärungsbedürftigkeit des Produkts gibt es eine weitere Herausforderung. Für den Kunden ist es nicht einfach, sich die Wirkung der Druckplatte mit einem bestimmten Bildmotiv an seinem gedachten Einsatzort vorzustellen. Die große Anzahl möglicher Motive und Größen macht eine gezielte Herstellung speziell für den Kunden erforderlich, eine Rücksendung oder ein Umtausch bei Nichtgefallen gestaltet sich dadurch schwierig und wäre mit zusätzlichen Kosten und Mehraufwand für den Kunden und das Unternehmen verbunden. Die optische Wirkung in der Umgebung des Kunden vorab bildlich darzustellen würde die Entscheidung vereinfachen und die Hemmschwelle für einen Kauf vermindern.
Augmented Reality wurde dabei frühzeitig als wirksames Mittel erkannt, eine solche Darstellung zu ermöglichen. Daraus ergeben sich jedoch weitere technische Herausforderungen. Selbst kleine Hemmschwellen in der Darstellung oder während des Bestellprozess können zu einem Absprung des Kunden führen. Die Installation einer App wäre bereits eine große Hürde und würde den größten Teil der Kundschaft abschrecken, die aus Bequemlichkeit oder allgemeinem Misstrauen gegenüber fremden Apps keine Installation vornehmen würden. Auch kann dem Kunden nicht zugemutet werden, für die Nutzung Marker auszudrucken, wie sie oft in Augmented Reality Szenarien eingesetzt werden. Gerade für Druckprodukte, die an Wänden angebracht werden sollen, besteht zusätzlich das Problem, das ein Marker in vielen Fällen von einer zweiten Person in Position gehalten werden müsste, was auch eine erhebliche Hürde darstellt. Nicht zuletzt besteht eine weitere technische Herausforderung in der Qualität der grafischen Darstellung. Eine sinnvolle Nutzung ist nur möglich, wenn z.B. Lichtverhältnisse bei der Darstellung des Druckerzeugnisses in der Wohnung des Kunden korrekt erkannt und angewendet werden.
Lösung
Es soll eine technische Lösung gefunden werden, welche die Möglichkeit bietet, auf einer Produktseite des Shops die Visualisierung in Augmented Reality anbieten zu können. Durch die riesige Anzahl an Produkten, Motiven und verschiedenen Größen ist eine manuelle Integration für jedes Produkt nicht umsetzbar, es wird also eine generische Lösung mit einer Automatisierung innerhalb des Shopsystems erforderlich. Dies erfordert eine Evaluierung der Schnittstellen, um zu ermitteln wie eine Integration auf technischer Ebene erfolgen kann. Auf der anderen Seite soll die Technologie auch verwendet werden können, um außerhalb des Shops Werbung für die verschiedenen Produkte zu machen, die sich von üblichen Werbemaßnahmen abhebt. Um die Werbewirksamkeit zu garantieren, muss ein hoher Qualitätsanspruch erfüllt werden, insbesondere im Hinblick auf eine intuitive Nutzbarkeit ohne technische Hemmschwellen. So soll die Sichtbarkeit des Unternehmens und seiner Produktpalette durch den Einsatz moderner digitaler Technologien verbessert werden.
Für Endkunden, die Druckprodukte von Wallario in ihren Wohnungen oder Gewerberäumen einsetzen möchten, soll eine Augmented-Reality-Anwendung geschaffen werden, in der das Produkt in die reale Umgebung des Kunden virtuell eingeblendet werden kann. Dies soll dem Nutzer helfen, die Wirkung des Produkts vor dem Kauf in seiner Umgebung zu visualisieren und damit die Motiv-und Größenauswahl erleichtern. Gleichzeitig kann die Technik allgemein für werbewirksame Maßnahmen eingesetzt werden um sich auf Messen und gegenüber Mitbewerbern durch ein Alleinstellungsmerkmal abzusetzen.
Umsetzung
Mit Vertretern des Unternehmens und den technischen Beratern des Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Cottbus wurden in drei Gesprächsrunden die Rahmenbedingungen definiert und eine geplante Lösung formuliert. In einer ersten Begehung stellte sich das Unternehmen vor und es wurde sehr offen und detailliert der Produktionsprozess und die Vertriebsplattform vorgestellt.
Auf diesen Grundlagen wurden bei der zweiten Gesprächsrunde von beiden Seiten die Ideen für das gemeinsame Digitialisierungsprojekt zusammengetragen. Von Wallario wurde der erhoffte Nutzen abgeschätzt, während das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Cottbus den technischen Aufwand formulierte. Auf diesem Wege konnte der geplante Prototyp und seine Funktionsweise definiert werden. Es wurden diverse technische Herangehensweisen zusammengetragen.
Beim dritten Termin wurden die Vor- und Nachteile herausgestellt, der Aufwand der Umsetzung abgeschätzt und die Zukunftsfähigkeit besprochen. Umsetzungen mit Multimedia-Engines wie “Unity” wurden als interessant im Aufwand der Entwicklung eingeschätzt, jedoch wurde der „Ballast“ einer nicht standardisierten Laufzeitumgebung als zu groß für ein Projekt dieses Umfangs bewertet. Eine native Umsetzung als App für die mobilen Plattformen Android und iOS wäre vom Aufwand zu hoch gewesen und die spätere Weiterentwicklung durch Wallario nur schwer zu leisten gewesen. Außerdem wurde die Installation einer App für Endkunden als zu hohe Hemmschwelle bewertet.
Daraus entwickelte sich die Erkenntnis, dass eine Umsetzung am aussichtsreichsten mit der damals noch nicht final spezifizierten Browser-Schnittstelle WebXR umzusetzen ist. Die Anwendung startet damit in jedem Browser, der diesen Standard unterstützt. Die Umsetzung kann dadurch primär in Javascript und mit HTML erfolgen, wofür bereits viel praktische Erfahrung im Unternehmen vorliegt. So müssen auch keine App-Aktualisierungen an den Kunden ausgeliefert werden, da dieser stets den aktuellsten Stand vom Webserver dargestellt bekommt. Somit ist stets garantiert, dass nur die aktuellste Produktversion bei Kunden existiert.
Mit dieser Entscheidung und den gewonnenen Erkenntnissen konnte sich das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Cottbus auf eine spezifische Suche nach Entwicklungsbibliotheken machen, welche den Anforderungen entsprechen. Hier kristallisierte sich schlussendlich Three.js (threejs.org) samt Erweiterungen als weitverbreitete, stabile und gut dokumentierte Lösung mit weitreichender Kompatibilität zu verschiedensten Browsern heraus. In einem ersten Schritt wurde eine Projektbasis aufgebaut, welche architektonisch und technisch die notwendigen Grundlagen definiert. Dafür wurde eine gemeinsame Versionsverwaltung etabliert, auf die das Unternehmen und das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Cottbus Zugriff haben. Damit wurde unter anderem sichergestellt, dass stets ein Austausch anhand des aktuellsten Entwicklungsstands möglich ist.
Das unkomplizierte Kompilieren und Starten einer voll funktionsfähigen Testumgebung wurde über Docker umgesetzt. In der Versionsverwaltung befindet sich dabei eine Datei, die automatisiert und damit auch dokumentiert eine Linux-Umgebung aufsetzt und in dieser das Bauen der für die Produktivumgebung nötigen Artefakte übernimmt. Ähnlich dazu kann auch schnell ein Webserver gestartet werden, der ein sofortiges Testen mit mobilen Endgeräten im lokalen Netzwerk ermöglicht. Diese virtualisierten Umgebungen nehmen keine Änderungen am ausführenden System vor und können nach der Nutzung rückstandslos entfernt werden.
Damit konnte das Unternehmen auch zu jedem Zeitpunkt an der Entwicklung mit dem letzten Stand Tests vornehmen und wertvolle Rückmeldungen geben, wie der Demonstrator näher die reale Nutzung abbilden kann. Die dadurch eingesparten langen Laufzeiten in der Bewertung und Kommunikation zu den jeweils aktuellen Entwicklungsständen führte zu effektiven Iterationen in der Programmierung.
Abschließend lag dem Unternehmen ein Prototyp vor, mit dem 3D-Modelle und einfache Flächen mit variabler Größe und Inhalt mit einem mobilen Gerät in einer AR-Umgebung im Browser auf Oberflächen platziert werden können. Auf dieser Basis ist es dem Unternehmen nun möglich, das Konzept der dynamischen und interaktiven Produktpräsentation im virtuellen Raum mit einer eigenen Integration in ihr Produktivsystem zu übernehmen und umzusetzen.