In den letzten 20 Jahren ergaben sich durch die schnell voranschreitende Digitalisierung neue Herausforderungen für die Betriebsräte und Gewerkschaften. Durch die Einführung und den Einsatz neuer Softwaresysteme erweiterten sich für die Arbeitgebenden die Möglichkeiten zur Optimierung von Produktionsprozessen, der Automatisierung der Produktion oder betrieblicher Abläufe wie z. B. Personalplanung oder Personalauswahl. Mit der Digitalisierung eines Betriebs geht automatisch die Erfassung vieler Daten durch die Softwaresysteme einher.
Diese Datenansammlungen können jedoch die Rechte der Arbeitnehmenden berühren. Zum einen kann direkt der Datenschutz betroffen sein. Zum anderen werden Rechte der Belegschaft tangiert, insbesondere wenn die gesammelten Daten dazu verwendet werden, betriebliche Abläufe zu optimieren und zu steuern.
Sobald es um eine Datenverarbeitung geht, muss der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) mitgedacht werden. Die Möglichkeiten und vorhandenen Optimierungspotentiale lassen einen zukünftigen Einsatz solcher Technologien wahrscheinlich erscheinen, da die unternehmerischen Vorteile zu offensichtlich sind. Gleichzeitig gibt es in diesem Bereich bisher wenig passende Regularien und konkrete Ausgestaltungen oder Betriebsvereinbarungen.
Dieser Blog wird darauf eingehen, welche Bereiche der Arbeitnehmendenrechte besonders durch den Einsatz von KI betroffen sind und welche Handlungsmöglichkeiten die Betriebsräte haben, um die Mitbestimmungsrechte der Belegschaft zu wahren und weiterhin vollumfänglich wahrnehmen zu können. Im ersten Teil zeigen wir Ihnen zunächst dir grundsätzliche Funktionsweise aktueller KI-Systeme.
Wie arbeitet eine KI grundsätzlich?
Über eine allgemeingültige Definition von KI wird in der Fachwelt debattiert. Die KI-Systeme, die zur Zeit eingesetzt werden, können lediglich hochspezialisierte Aufgaben übernehmen. Von einer KI, wie man sie aus Film und Fernsehen kennt, sind wir noch weit entfernt.
Die heutigen KI-Systeme lernen Muster in Daten zu erkennen, die für den Menschen oft zu komplex sind. Diese Lernfähigkeit kann bspw. dazu verwendet werden, Objekte zu klassifizieren, sprich, sie in Gruppen einzuteilen. Dabei werden der KI sehr viele Beispiele „gezeigt“ und eine Lösung wird definiert. Die gezeigten Daten können z. B. Bilder von Hunden und Katzen sein. Der KI werden diese Bilder sowie die zugehörigen Lösungen (Hund oder Katze) zunächst gezeigt. Anschließend ist die KI in der Lage, neue Bilder, die sie vorher noch nicht zu sehen bekommen hat, in die richtige Kategorie (Hund oder Katze) einzusortieren. Eine solche KI kommt bei Personaleinstellungen bereits in vielen, insbesondere größeren Unternehmen zum Einsatz. Dabei lernt sie aus vorangegangen Bewerbungsprozessen, welche Mitarbeitenden mit welchen Lebensläufen sich im Unternehmen jeweils bewährt haben.
Eine andere Art der KI ist die sich selbstverstärkende KI. Sie lernt durch Belohnung oder Bestrafung, also wenn sie etwas richtig oder falsch macht. Beispiele sind Saug- oder Mähroboter, die lernen können sich in ihrer Umgebung selbständig zurecht zu finden. Stoßen die Roboter an eine Wand oder Teppichkante, folgt eine „Bestrafung“ und die Wahrscheinlichkeit diesen Fehler nochmals zu wiederholen sinkt. Bei allen Aktionen, die keine negative Konsequenz haben, wird die KI durch eine Belohnung bestärkt, den richtigen Weg einzuschlagen. Faszinierenderweise kann eine solche selbstverstärkende KI dazu verwendet werden, Schichtpläne für die Mitarbeitenden zu erstellen, womit sie in die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrat und in die Rechte der Mitarbeitenden eingreift. Später werden wir näher auf diesen Aspekt eingehen.
Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle die Struktur aufdeckende KI erwähnt werden. Diese sucht nach gemeinsamen Mustern in den Daten und gruppiert ähnliche Objekte, ohne dass vorher definiert wurde, in welche Gruppe ein Objekt einzuordnen ist. Da diese Art der KI für Betriebsräte nicht sehr relevant ist, wird hier nicht weiter auf sie eingegangen.
Herausforderungen
Eine der Herausforderungen bei dem Einsatz neuer Technologien in Unternehmen, sind meist bestehende aber nicht mehr passende Regelungen. Betreffen diese die Mitarbeitenden, eignen sie sich durch geänderten Rahmenbedingungen nicht mehr ausreichend zur Erfüllung der Mitbestimmungsrechte. Im Allgemeinen geht es um die Durchsetzung des Arbeitsrechts, des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und im Speziellen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG).
Gemäß der festgeschriebenen Mitbestimmung nach § 87 BetrVG kann KI fast alle der aufgeführten Tatbestände berühren. Beispiele sind die Überwachung oder Steuerung eines Arbeitnehmenden im Rahmen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens. Des Weiteren können Arbeitszeiten, Mehr- oder Minderarbeit sowie die Urlaubs- und Schichtplanung betroffen sein.
Für den Betriebsrat ist entscheidend zu wissen, dass er ein Mitbestimmungsrecht besitzt, sobald es bei der Anwendung von KI um die Einbeziehung personenbezogener Daten geht. Die DSGVO ist betroffen, wenn z. B. bei der Personalauswahl eine KI automatisch über die Stellenbesetzung entscheiden soll.
Die KI darf lediglich eine Vorauswahl der Bewerbenden treffen, weil wegen Art. 22 DSGVO und Erwägungsgrund 71 zur DSGVO rechtlich relevante Entscheidungen nicht alleinig automatisiert getroffen werden dürfen (vgl. Klebe/Klengel 2020, Klebe/Wenckebach 2020). Für Regelungen, die Einstellungsverfahren betreffen, kann der Betriebsrat sich auf § 95 BetrVG berufen, wonach etwa "Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen“ der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. "In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die (...) zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen."
Autoren: Dr. Sascha Vökler und Robert Schneider, M. A.
Quellen:
Dastin, J. (2018). Amazon scraps secret AI recruiting tool that showed bias against women. https://www.reuters.com/article/us-amazon-com-jobs-au-tomation-insight-idUSKCN1MK08G. Letzter Abruf: 17.11.2021.
Hennig J., Nadler A. (2020) Künstliche Intelligenz im Arbeitsrecht. In: Hartmann M. (eds) KI & Recht kompakt. IT kompakt. Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61700-7_7
Klebe T., Wenckebach J. (2020) Künstliche Intelligenz – Handlungsfeld für betriebliche Mitbestimmung und Arbeitsrechtsregulierung. In: Bader V., Kaiser S. (eds) Arbeit in der Data Society. Zukunftsfähige Unternehmensführung in Forschung und Praxis. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32276-2_20
Klebe, T., Klengel, E. (2020). Mitbestimmung der Zukunft. Künstliche Intelligenz als Herausforderung für die Mitbestimmung. Mitbestimmungsreport. Düsseldorf.
Niehaus, M., Katzan, J. (2020). Betriebsräte und Digitalisierung: Beispiele erfolgreicher Gestaltung und Begrenzung. AIS-Studien, 13(1), 40-53. https://doi.org/10.21241/ssoar.67656
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