Künstliche Intelligenz in der Logistik

Viele Vorgänge in der Logistik nehmen wir oft gar nicht wahr – zumindest, wenn alles reibungslos läuft. Ärgerlich wird es, wenn es zu Störungen in der Lieferkette kommt, deren Effekte sich bis in unseren Alltag hineinziehen. Denken wir an die leeren Regale im Supermarkt während der Corona Pandemie oder die Empfehlungen in diesem Jahr die Weihnachtsgeschenke noch früher als gewöhnlich zu ordern, damit alles rechtzeitig unter dem Baum liegt.

Diese Effekte gibt es auch in der Logistik innerhalb von Unternehmen. Dort sind es neben den externen die internen Kunden, also andere Abteilungen wie beispielsweise die Produktion, die mit Gütern versorgt werden müssen. Um einen möglichst reibungslosen Materialfluss zu gewährleisten, gilt es auch hier Prozesse zu verschlanken, Verschwendungen zu reduzieren und Ressourcen effizienter zu nutzen.

In der Praxis stehen diesem Ziel oft einige Herausforderungen im Weg, die täglich bewältigt werden müssen. Manuelle Übertragungen von handschriftlichen Zetteln ins System, Tippfehler in der Datenerfassung, Warten auf Rückmeldungen und Dokumente, zeitaufwendiges Suchen im Lager, intransparente Bestände – es gibt zahlreiche Beispiele.

Das Potenzial von KI in der Logistik

Kann uns Künstliche Intelligenz (kurz: KI) dabei helfen, solche Verschwendungen zu reduzieren und Abläufe zu optimieren? Kurzum: Ja. Das große Potenzial von KI liegt in der intelligenten Auswertung von Daten. In einem Unternehmen fallen täglich Unmengen an Daten und Informationen an. Mit Hilfe von KI lassen sich künftige Produktions- und Transportaufkommen besser vorhersagen, Kapazitäten besser planen und mögliche Schwierigkeiten frühzeitig erkennen. Aber auch Potenziale in bestehenden Prozessen können aufgedeckt werden. Das betrifft sowohl manuelle als auch bereits automatisierte Abläufe, die noch zeitlich optimiert werden können.

Um das Potenzial und mögliche Anwendungsfelder von KI in der Logistik strukturiert darzustellen, hat das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML das Dortmunder Anwendungsmodell des Maschinellen Lernens in der Logistik entwickelt.

> Maschinelles Lernen (kurz: ML) wird als ein Teilgebiet der KI verstanden. KI ist sozusagen der Oberbegriff einer Technologie, die es Computern ermöglicht Intelligenz nachzuahmen. Das wird unter anderem durch Maschinelles Lernen möglich.

Das Modell orientiert sich an zwei Dimensionen. Zum einen an Aufgaben von ML-Systemen und zum anderen an Bereichen, in denen Transport, Umschlag und Lagerung von Gütern, Anlagen und Hilfsmitteln sowie die dazugehörigen Planungs- und Steuerungsaufgaben eine Rolle spielen. In Kombination der beiden Dimensionen ergeben sich Anwendungsfelder, in denen Maschinelles Lernen für effizientere Prozesse sorgen kann.

 

 

Abbildung: Dortmunder Anwendungsmodell des ML in der Logistik [Quelle: Fraunhofer-IML (2021), S. 11]

Um das Ganze etwas greifbarer zu machen stellen wir Ihnen im Folgenden zwei konkrete Beispiele zum Einsatz von KI in der internen Logistik vor:

Beispiel: Mensch-Maschine-Interaktion in der Kommissionierung

In unserem letzten Blogbeitrag haben wir über die Vorteile der nächsten Generation von Chatbots berichtet. Diese intelligenten Helfer kommen uns auch in der Logistik zugute. Bei der Kommissionierung werden Menschen schon heute oft durch verschiedene Systeme unterstützt. Pick-by-Voice zählt als sprachgesteuertes System dabei zu den effizientesten Technologien. Niedrige Kosten, hohe Skalierbarkeit, freie Hände und Augen haben bereits viele Unternehmen als große Vorteile erkannt. Ihr volles Potenzial können die Systeme aber nur entfalten, wenn Sprachbefehle sicher und schnell erkannt werden. Bei schwierigen Sprechern, Dialekten oder einem starken Akzent hakte es da schon mal und schmälert auch die Akzeptanz bei den Nutzer:innen. Um hier Abhilfe zu schaffen, binden immer mehr Hersteller Künstliche Intelligenz in die Spracherkennung ein. Das System lernt mit und bietet mehr Flexibilität in den Sprachbefehlen. Was besonders in der aktuellen Situation von großer Bedeutung sein kann: Auch die Spracherkennung beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verbessert sich dadurch.

> Sie möchten mehr über Pick-by-Voice und andere Technologien für die Kommissionierung erfahren? Kontaktieren Sie uns! In unserem Praxislabor Logistik an der TH Wildau können Sie diese selbst ausprobieren und miteinander vergleichen.

Beispiel: KI-Analyse für optimierte Wegeführung und intelligente Lageranordnung

In einem Lager werden täglich große Mengen an Gütern und Waren bewegt. Viele einzelne Artikel lagern an verschiedenen Stellen, werden zusammengestellt, verpackt und für den Warenausgang bereitgestellt. Dafür müssen teilweise lange Wege zurückgelegt werden. Das kostet Zeit und ohne technische Unterstützung viel menschliche Energie. Aber wie kann man die Prozesse besser an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden anpassen und die Effizienz steigern? Um herauszufinden, wo die Potenziale liegen, muss der Prozess zunächst analysiert werden. Dazu kommen klassischerweise Verfahren wie Methods-Time-Measurement (kurz: MTM) oder Zeitstudien nach REFA zum Einsatz, mit denen der Zeitaufwand für Bewegungsabläufe erfasst wird. Beide sind sehr aufwendig und werden von entsprechend ausgebildeten Experten durchgeführt. Die aus dem Lean Management bekannte Methode des Spaghetti Diagramms ist einfacher zu erlernen, fokussiert aber nur die Visualisierung von Bewegungsmustern. Entscheidender Nachteil aller drei genannten Verfahren ist zudem, dass zur Analyse nur eine relativ kleine Stichprobe oder Momentaufnahme zur Verfügung steht.

Inzwischen ist es mit dem s.g. Motion-Mining möglich, die Prozessschritte und Wege durch Tracking-Sensoren zu erfassen und mithilfe einer KI-basierten Analyse auszuwerten. Für die Messungen werden im Lager Empfangsgeräte angebracht und die Beschäftigten sowie die eingesetzten Hilfsmittel (z. B. Gabelstapler und Transportgeräte) mit speziellen Sensoren ausgestattet.

Quelle: MotionMiners GmbH

Längere Wartezeiten an Regalen und Maschinen oder zeitaufwendiges hin und her Laufen für Abstimmungsvorgänge zwischen den Mitarbeitenden können dadurch identifiziert und analysiert werden, sodass anschließend zeitsparendere Lösungen gefunden werden können. Der große Vorteil dabei: Die Erfassung ist über einen längeren Zeitraum und anonymisiert möglich, sodass keine Rückschlüsse auf Personen gezogen werden können.

Das Verfahren eignet sich aber nicht nur zur Optimierung bestehender Prozesse. Auch wenn ein Lager neu geplant oder umgebaut und ein intelligentes Layout konzipiert werden soll, hilft die Analyse, die bestmögliche Anordnung zu finden.

Ein kurzes Praxisbeispiel mit Bezifferung des Einsparpotenzials können Sie im PDF der Plattform Lernende Systeme auf S. 16-17 nachlesen: Link

Ausführlichere Informationen und eine bespielhafte Kalkulation zu den Kosten einer Analyse sind hier zu finden: Link

> Die Technologie des Motion-Mining können Sie ebenfalls in unserem Praxislabor Logistik live erleben und selbst ausprobieren! 

 

Quellen und weitere Anwendungsbeispiele:

Fraunhofer-IML (2021): Künstliche Intelligenz in der Logistik

Lernende Systeme (2021): KI im Mittelstand

MotionMiners GmbH [letzter Zugriff: 29.11.2021]