„Wenn ich ein Wort gebrauche,“ sagte Humpty Dumpty in ziemlich verächtlichem Ton, „heißt es genau das, was ich als Bedeutung wähle – nicht mehr und nicht weniger.“ „Die Frage ist,“ sagte Alice, „ob Sie Wörter so viel anderes bedeuten lassen können.“
Lewis Carroll „Alice im Spiegelland“ (1871)
Die Unterhaltung von Alice mit Humpty Dumpty, die jetzt schon über 150 Jahre alt ist, spiegelt unsere Versuche, die zwischenmenschliche Kommunikation besser zu verstehen und besser zu meistern. Die zwischenmenschliche Kommunikation ist eine der größten Herausforderungen der Menschheit. Basierend auf den Erfahrungen und dem Erlebten eines jeden Individuums, werden Wörter und Sätze unterschiedlich interpretiert und verstanden. Dies führt immer wieder zu Konfliktpotentialen, da es zu Fehldeutungen kommt. Eine Kommunikation über verschiedene Sprachen und Kulturen hinweg birgt große Gefahren, wenn nicht in der Muttersprache kommuniziert werden kann.
Lehrende erreichen nur einen Bruchteil ihrer Schüler*innen, da die Mehrheit die Art und Weise der Lehrmethode des Lehrenden nicht versteht. Ehepaare streiten sich, da es zu Missverständnissen kommt, die mit Worten nicht gelöst werden können. Länderübergreifende Verhandlungen scheitern, da evtl. ein Wort falsch verstanden wird und man sich in eine Sackgasse manövriert. Verträge werden gebrochen, da es im Nachhinein zu Fehlschlüssen kommt, die nicht geklärt werden können. Unternehmen verlieren Ihre Kund*innen oder Ihre Vertragspartner infolge der Misskommunikation oder der Fehlinterpretation der gesammelten Daten aus Telefonaten, E-Mails, Gesprächen und Meetings.
Dieser Bereich der Kommunikationspsychologie erfährt hinsichtlich genutzter Methoden mehr und mehr Digitalisierung. Die entstehenden KI-Methoden schaffen für den Bereich der Kommunikation nie da gewesene Symbiosen zwischen Geistes-/Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften, wie Mathematik und IT. Dadurch entstehen in der Kommunikationspsychologie für Theorie als auch Praxis auch KI-gestützte Argumentationsstränge.
Automatisierte Lösungen können einige solche Konfliktpotentiale überwinden. Die exponentielle Entwicklung der Künstlichen Intelligenz beeinflusst immer weitere Bereiche unseres Lebens und dies gilt auch vermehrt für den Bereich der Kommunikation.
Erweiterung von Kunden-Kommunikation mittels Konversationsintelligenz-Tools
Es wurde eine ganze Reihe an Tools entwickelt, um die Qualität und den Inhalt unserer Kundengespräche zu bewerten.
Um nur einige zu nennen:
- Avoma[1] ist ein intelligenter Meeting-Lebenszyklus-Assistent.
- Gong[2] gibt Teams und Führungskräften vollständigen Einblick in alle Geschäfte, Teamleistungen und Marktveränderungen.
- Fireflies[3] ist ein KI-Assistent für Meetings. Er nimmt Gespräche auf, transkribiert und durchsucht sie.
- Be-novative[4] ist eine KI für gemeinsame Problemlösungen.
Diese Tools werden unter dem Begriff „Gesprächsintelligenz“ (Conversation Intelligence Software) zusammengefasst. KI spielt hier eine Hilfsrolle bei der Auswertung umfangreicher Gesprächsdaten. Darya Jandossova Troncoso, Chefredaktor bei MarketSplash, hat eine ausführliche Liste der besten Konversationsintelligenz-Tools zusammengestellt und diese Tools getestet (intelligente Konversation: Bewährte Praktiken und Hilfreiche Software-Tools)[5].
Ist Google LaMDA empfindungsfähig?
Die Augmentation unserer Kommunikation durch KI betrifft auch die neue Generation von Chatbots – die Konversations-KI. Diese Chatbots sind nicht mehr nur Regelbasierte Programme, sondern große Sprachbasierte Modelle mit Billionen von Parametern, wie Google LaMDA (Language Model for Dialogue Applications). LaMDA wurde speziell für offene Dialoge konzipiert und soll Unternehmen helfen, ihre Kunden besser zu verstehen und bessere Kommunikation zu erlauben. Um die dahinterstehende Künstliche Intelligenz zu testen, begann Blake Lemoine[6], der für Googles Verantwortungsbewusste KI-Organisation arbeitet, im Herbst 2021 im Rahmen seiner Arbeit mit LaMDA zu sprechen. Er überprüfte, ob die künstliche Intelligenz diskriminierende oder Hass-Worte verwendet.
Durch diese Unterhaltung kam Lemoine zu dem Schluss, dass LaMDA ein Bewusstsein entwickelt hat. LaMDA sollte daher als eigenständige Person akzeptiert werden, sodass dieser Chatbot (rechtlich) unbedingt schützenswert sei. Eine Ethik-Debatte entflammte[7]. Auch wenn es inzwischen offiziell seitens Googles bewiesen wurde, dass LaMDA nicht empfindungsfähig ist und demnach laut Google der LaMDA-KI kein Personenstatus zusteht, kann man doch über die Qualität der Gespräche staunen. LaMDA kann zwar nicht an Blumen schnuppern, aber LaMDA kennt sie alle. Somit hat LaMDA unzählige Daten, aber kein Bewusstsein, diese zu genießen.
KMU können mit dem Google Dialogflow Service[8] die neue Generation von Chatbots auf der eigenen Webseite in kürzester Zeit produzieren, so diese neue Technologie nutzen und davon profitieren.
Konversations-KI geht in Richtung Konversations-Intelligenz
Moderne Chatbots antworten mit einer sehr hohen Toleranzrate und Geduld bis der Fragende die notwendige Antwort und das geforderte Wissen bekommen hat. Übersetzungstools oder automatisierte Verhandlungsbots kommunizieren nur die Fakten und sind dabei frei von Emotionen.
Solche automatisierten Lösungen werden durch KI-Algorithmen immer fähiger, schneller und präziser beim Antworten. Das exponentielle Wachstum von Hard- und Softwarefähigkeiten erlaubt es, immer größere Datenmengen auszuwerten und damit zu lernen.
Amazons “Alexa”, Google Assistent, Apples “Siri” und andere moderne Chatbot-Assistenten erlernen täglich neue Muster, so dass man bereits eine eigenständige Intelligenz erkennen kann.
MIT-Wissenschaftler entdeckten, dass Computer komplexe Wörter und Konzepte verstehen können[9]. Sie verwendeten eine neue Methode[10], welche menschliche Urteile über verschiedene Objektkategorien und Eigenschaften wieder herstellt. Die Geometrie der Worteinbettungen repräsentiert also explizit eine Fülle von kontextabhängigem Weltwissen.
Zukünftige Chatbot-Assistenten analysieren nicht nur den Sinn der einzelnen Wörter, sondern erkennen auch am Stimmmuster oder an dem Schreibstil in welcher Stimmung der Nutzender ist. In Kombination von bekannten Umgebungsvariablen, wie Hintergrundsgeräusche, Temperatur, Licht etc., wird es möglich sein, Stimmungsprofile zu erkennen, um danach ausgerichtet den Kommunikationsstil anzupassen.
Eine Welt mit weniger Missverständnissen
Diese zukünftigen Fähigkeiten sollten jedoch nicht als Gefahr für eine höhere Intelligenz erkannt werden, sondern vielmehr als Chance für eine bessere und effektivere Kommunikation untereinander und miteinander.
Gelingt es, Stimmungsbilder in der automatisierten Konversation zu erkennen, kann die eigene Kommunikations- und Konversationsfähigkeit trainiert und verbessert werden. Eine Welt mit weniger Missverständnisse wäre das wünschenswerte Resultat.
Stellen Sie sich vor, was das für die Zukunft bedeuten könnte.
Dr. Svetlana Meissner; August 2022
[1] https://www.avoma.com/
[2]https://www.gong.io/
[3]https://fireflies.ai/
[4]https://www.be-novative.com/
[5]https://marketsplash.com/de/gesprachsintelligenz/
[6]https://cajundiscordian.medium.com/is-lamda-sentient-an-interview-ea64d916d917
[7]https://www.wired.com/story/lamda-sentient-ai-bias-google-blake-lemoine/
[8]https://cloud.google.com/dialogflow?hl=de
[9]https://scitechdaily.com/mit-scientists-discover-that-computers-can-understand-complex-words-and-concepts/
[10] “Semantic projection recovers rich human knowledge of multiple object features from word embeddings” by Gabriel Grand, Idan Asher Blank, Francisco Pereira, and Evelina Fedorenko, 14 April 2022, Nature Human Behaviour.
https://www.nature.com/articles/s41562-022-01316-8